Vom Unsinn der Sicherungsverwahrung

By Peter.Heirich, 29 August, 2010

Regelmäßig bemüht sich die Politik aus der Sicherungsverwahrung eine Sicherungstherapie oder einen Sicherungsurlaub zu machen. Das die gleichen Politiker diesen Unsinn erst produzieren, kommt ihnen nicht in den Sinn. Tatsächlich ist die Sicherungsverwahrung eine Übernahme aus dem Nationalsozialismus, eingeführt durch das "Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24. November 1933 (RGBl. I S. 995)". Statt diesen Unsinn eben als solchen zu erkennen, wurde dieses "Geschenk" des Führers an das deutsche Volk, konsequent wiederbelebt und ausgeweitet, bis der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zumindest versucht, den Menschenrechten wieder mehr Geltung zu verschaffen.

"Schützt unsere Kinder und Frauen vor Sexualmördern ..." wiederholen die Sicherungsverwahrer fortwährend. Diese Straftäter, die laufend durch Presse und Fernsehn getrieben werden, um die Sicherungsverwahrung zu rechtfertigen, haben im schlimmsten Fall früher jemanden ermordet. Strafmaß für Mord nach dem Strafgesetzbuch ? Lebenslange Haft. Wie gefährlich muß dann die Leiche sein, um diese anschließend der Sicherungsverwahrung unterwerfen zu wollen ? Wem fällt jetzt auf, dass die Juristen und Politiker den Schaden erst anrichten, indem lebenslange Haft gar keine lebenslange Haft ist ? Selbst die Täter müssen wohl ehrlicherweise zugeben, dass ihnen bei der Tat klar war: Im Falle des Mordes wird die Strafe "lebenslange Haft" im Urteil stehen.

Für die sogenannte Sicherungsverwahrung besteht kein wirklicher Bedarf, noch gab es je einen Bedarf dafür. Natürlich gibt es wenige Spezialfälle, deren Diskussion lohnt.

Einerseits die Begrenzung der Höchststrafe, selbst für Mord, auf 10 beziehungsweise 15 Jahre Freiheitsentzug im Jugendstrafrecht. Der Kerngedanke des Jugendstrafrechts, ein junger Mensch sei noch erziehbar und könne noch vom kriminellen Weg abgebracht werden, widerspricht sich logisch mit dem Konzept des Gewohnheitstäters, welches der Sicherungsverwahrung zugrunde liegt.

Grundsätzlich könnte der Gesetzgeber aber auch hier den Ausspruch einer lebenslangen Haft im Urteil und eine Regelbegnadigung nach 10 beziehungsweise 15 Jahren für Jugendliche vorsehen, wenn er denn die Option zu einem ähnlichen Vorgehen wie bei der Sicherungsverwahrung haben möchte.

Ohnehin kommen nur Tötungsdelikte in Betracht, da derzeit für alle Delikte außer Mord,Totschlag im besonders schweren Fall, Hochverrat und Vorbereitung eines Angriffskrieges, Zeitstrafen bis zu maximal 15 Jahren vorgesehen sind. Hochverrat und Vorbereitung eines Angriffskrieges scheiden für "Otto Normalverbraucher" bzw. "Anna Normalverbraucherin" realistischerweise mangels Durchführungsmöglichkeit aus und für jene Leute, die Angriffskriege befehlen oder Hochverrat verüben können, bleibt dies, wie die praktische Erfahrung des Angriffskrieges gegen die Bundesrepublik Jugoslawien zeigt, ohnehin straflos.

Der bisher einzige Fall einer nachträglichen Sicherungsverwahrung nach einem Mord durch einen Jugendlichen in Deutschland, ECHR 10211/12 und 27505/14, ist m.E. recht nahe an der Grenze des Unrechts. Immerhin wurde dem Täter bei der ursprünglichen Verurteilung wegen Mordes 1999 ausreichende geistige Gesundheit attestiert, sonst wäre er damals ja in die geschlossene Psychiatrie gekommen, aber nicht verurteilt worden. Seit 2009 soll die  gestörte geistige Gesundheit, namentlich sexuelle Gewaltphantasien, die Begründung für die Sicherungsverwahrung sein und es wird dem Täter mangelnde Steuerungsfähigkeit unterstellt, die eine reale Gefahr für seine Mitmenschen bei einer Entlassung wäre. Das Konzept des Gewohnheitstäters wird hier durch durch das Konzept des prognostizierten Wiederholungstäters ersetzt, was mehr mit Willkür als mit Beweisen zu tun hat. Vorhersagen sind halt schwierig, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen. Aber, der Täter war zum Zeitpunkt der damaligen Tat 19 Jahre alt und profitierte damals bereits von dem Umstand, dass Volljährigkeit mit 18 Jahren im Strafrecht nur eingeschränkt angewendet wird. Insofern hätte die ursprüngliche Verurteilung bereits zu lebenslanger Haft erfolgen können, ja müssen, was den Fall m.E. ausreichend relativiert und auch eine juristische Abarbeitung ganz ohne Sicherungsverwahrung ermöglicht hätte.

Andererseits gibt es noch Straftaten, die eine zeitliche Höchststrafe haben. Sinn dieser Höchststrafenangaben im Strafgesetzbuch ist, die mögliche Willkür zu begrenzen. Die Sicherungsverwahrung kann hier mißbraucht werden, die gesetzlichen Höchststrafen auszuhebeln. Wir erinnern uns, wir reden hier nicht über Mord oder Totschlag. Will man hier eine Änderung herbeiführen, wäre es Aufgabe des Gesetzgebers die Höchststrafen abzuschaffen und für die betroffenen Delikte eine lebenslange Höchststrafe einzuführen. Natürlich macht das für "geringe" Straftaten keinen wirklichen Sinn.

Es gibt zu diesem Thema Rechtsprechung des BVerfG. Immerhin hat das BVerfG in  2 BvR 2259/04  m.E. klargestellt, dass der Fall der Sicherungsverwahrung bei bereits erfolgter Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe mitnichten eines eigenen Verfahrens oder Vorgangs bedarf. Den verfassungsmäßigen Grundsätzen würde auch eine Regelbegnadigung nach z.B. 30 Jahren, bei schwerer Krankheit wie Krebs auch früher, genügen, wenn in jenen Fällen, die heute über die Sicherungsverwahrung laufen, diese Begnadigung, rechtsstaatlich überprüft, verwehrt bleibt.

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